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Kommentar zum Planungsbeschleunigungsgesetz: “Ein Supergau!”

Von Johannes Pietsch, Schaumburg-Lippische Landes-Zeitung Bückeburg

Eines kann man dem Bundesverkehrsministerium nicht nachsagen: Dass es nicht lernfähig sei. Ganz offensichtlich will man im Hause des Ministers Andreas Scheuer und des umtriebigen Staatssekretärs Enak Ferlemann eine Erfahrung wie bei der Y-Trasse nicht noch einmal machen und macht daher mit den Einflussmöglichkeiten der Bundesländer bei großen Infrastrukturprojekten kurzen Prozess. Denn es war vor allem das Bundesland Niedersachsen, das seinerzeit dem Ministerium bei der Durchsetzung der extrem unpopulären neuen Gütertrasse zwischen Hannover, Hamburg und Bremen in die Parade fuhr.

ICE Großbaustelle zwischen Püchitz und Altenbanz

Daher will man jetzt die Bundesländer qua Gesetz mit einem Federstrich von der Mitwirkung an Neubauprojekten der Bahn, die ähnlich hohen Widerstand erwarten lassen, ausschließen. Das ist zwar ein klarer Verstoß gegen das im Grundgesetz verankerte Föderalismusprinzip, was auch schon eine von der Linken-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebene rechtliche Prüfung des Düsseldorfer Rechtsanwalts Dr. Clemens Antweiler belegte, scheint aber aus Sicht des Bundesverkehrsministerium kein Hinderungsgrund für das Gesetzesvorhaben zu sein.

Da ist es nur zu verständlich, dass das den Gegnern einer Neubautrasse der Bahn von Hannover nach Porta Westfalica mit Tunnel durch den Jakobsberg die Haare zu Berge stehen lässt, verlören sie doch mit der niedersächsischen Landesregierung einen der wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen das „Monster“, wie es der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Becker einmal titulierte. Darüberhinaus sollen die Klagemöglichkeiten drastisch eingeschränkt, der Klageweg durch die Instanzen abgeschafft und sogar noch vor der eigentlichen Genehmigung Rodungen und ähnlich Maßnahmen ermöglicht werden. Das Gesetz wäre ein Supergau, weil es in der Tat alle politischen, gesetzlichen und juristischen Hürden, die man längs der Neubauroute zwischen sich und der Tunneltrasse glaubte, mit einem Schlag zunichte macht. Rien ne va plus.

ICE-Großbaustelle bei Obersiemau

Was das konkret bedeutet, lässt sich auf geradezu entsetzliche Weise am Beispiel der 2017 eröffneten ICE-Neubautrasse Erfurt-Nürnberg ablesen, bei der mit Hilfe eines ähnlichen Gesetzes gnadenlos eine schnurgerade Schneise durch den Thüringer Wald gefräst und unfassbare ökologische und landschaftliche Schäden angerichtet wurden, so unter anderem im Banzer Hügelland, im Lichtenfelser Forst, im Itztal, am Grünen Band oder im Gottesgarten am Obermain.

Diejenigen Politiker, die bislang glaubten, das Monster lasse noch mindestens zwanzig oder gar dreißig Jahre auf sich warten, könnten sich daher schon sehr bald mit einer dramatisch veränderten Situation konfrontiert sehen. Wenn sie den Tunnel noch aufhalten wollen, dürfen sie jetzt eines nicht tun: Die Hände in den Schoss legen.

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